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Psychotherapeutische Ansätze bei der Behandlung von Schizophrenie. Schwerpunkt kognitive Verhaltenstherapie

Wie die kognitive Verhaltenstherapie zur Reduktion der Gesamtsymptomatik schizophrener Erkrankungen eingesetzt wird

Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis gelten als besonders belastend für Betroffene und deren Angehörige aufgrund oftmals schwerer Symptome und hohem Rückfallrisiko. Therapeuten stehen vor Herausforderungen, etwa wenn Konzentrationsstörungen oder unerwartete Halluzinationen die Behandlung erschweren. Dieser de’ignis-Fachartikel bietet Einblicke in psychotherapeutische Ansätze – insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie – sowie den aktuellen Forschungsstand zur Behandlung von Schizophrenie.

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Psychotherapeutische Ansätze bei Schizophrenie 

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Mathias Reding / unsplash

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Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis werden sowohl von Betroffenen als auch von deren Angehörigen aufgrund der Schwere der Symptome und des hohen Rückfallrisikos als sehr belastend erlebt. Aber auch Therapeuten und Therapeutinnen sind in der Behandlung von an Schizophrenie Erkrankten herausgefordert, wenn z.B. Konzentrationsstörungen der Betroffenen die Behandlung erschweren, Patienten während der Sitzung unerwartet Stimmen hören oder wenn die ambulante Behandlung aufgrund eines Klinikaufenthalts erneut unterbrochen wird. Doch welche unterschiedlichen Behandlungsansätze gibt es? Was ist bei der therapeutischen Haltung zu beachten? Welche konkreten Techniken können das therapeutische Arbeiten erleichtern? Dieser Artikel gibt einen Einblick in die psychotherapeutischen Ansätze zur Behandlung von Menschen mit Schizophrenie und führt in die kognitive Verhaltenstherapie der Schizophrenie ein. Konkrete therapeutische Techniken werden erläutert und der aktuelle Forschungsstand dargestellt.

Eine Psychotherapie bei Menschen mit Schizophrenie wird fast immer mit einer medikamentösen Behandlung begleitet. Auch die S3-Leitlinie zur Behandlung von Menschen mit Schizophrenie empfiehlt, dass die Psychopharmakotherapie „in ein Gesamtbehandlungskonzept unter Einschluss allgemeiner und spezieller psychotherapeutischer und psychosozialer Maßnahmen und psychiatrischer Behandlungspflege in Abhängigkeit von einer differentiellen Indikation eingebettet sein“ soll1. Dabei soll die Wahl des Antipsychotikums gemeinsam mit dem Patienten und seinem behandelnden Arzt erfolgen. Um die Medikation im Behandlungsverlauf entsprechend der Beschwerden des Patienten anzupassen, sollte die fachärztliche Begleitung engmaschig erfolgen. Neben der medikamentösen Behandlung von Schizophrenie gibt es inzwischen unterschiedliche psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten. Zu den traditionellen Ansätzen gehören Familieninterventionen, in denen zum einen die Kommunikation zwischen den Familienmitgliedern verbessert und zum anderen im Sinne der Psychoedukation über die Erkrankung aufgeklärt und hierdurch das Krankheitsverständnis verbessert werden soll. Insgesamt spielt die Psychoedukation in der Behandlung von Patienten mit Schizophrenie eine wichtige Rolle, insbesondere wenn die Angehörigen einbezogen werden. Einen weiteren Therapieansatz stellen die Fertigkeitstrainings dar. Sie sollen den Betroffenen helfen, mit Folgeproblemen der Erkrankung besser umzugehen und Fähigkeiten fördern, die bereits vor der Erkrankung zu gering ausgeprägt waren. Neben dem Training sozialer Kompetenzen und dem Problemlösetraining ist insbesondere auf die kognitive Remediationstherapie2 hinzuweisen. Dabei werden zum einen kognitive Fertigkeiten durch wiederholtes Üben trainiert (z.B. mithilfe PC-gestützter Programme wie Reha-Com, das seit einigen Jahren in der de’ignis-Fachklinik unter anderem zur Verbesserung der Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses erfolgreich eingesetzt wird). Zum anderen erlernen Patienten in der Remediationstherapie individualisierte Bewältigungsstrategien, mit Hilfe derer sie im Alltag kognitive Defizite gezielt kompensieren können.

Die bisher dargestellten Verfahren haben gemeinsam, dass sie primär an den mit der Behandlung in Verbindung stehenden Defiziten (z.B. Aufmerksamkeit, Gedächtnis, soziale Fertigkeiten, Kommunikation) oder an der Rückfallprophylaxe (Psychoedukation) ansetzen. Während bei anderen psychischen Störungen „direkt“ an den Symptomen angesetzt wird (z.B. bei spezifischen Angststörungen wie Hundephobie, bei Sozialen Phobien, PTBS und Depressionen), galt es lange als kontraindiziert, auch bei Menschen mit Psychosen direkt an den Symptomen wie Wahn oder Halluzinationen anzusetzen. Schizophrenie wurde lange als primär biologische Störung eingestuft, die man vor allem medikamentös behandelt. Auf der anderen Seite fehlte es den Therapeuten bzw. Therapeutinnen an Handwerkszeug, sprich an konkreten Interventionen, insbesondere dann, wenn der Wahn oder die Halluzinationen so starr wirkten, „als wenn man als Therapeut ohnehin nicht viel verändern könnte“. Interessanterweise konnten inzwischen verschiedene Studien zeigen, dass Wahn und Halluzinationen gar nicht so starr oder „andersartig“ sind: Auch Menschen in der Normalbevölkerung erleben wahnhafte Gedanken in ihrem Alltag, wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß3 und mit deutlich weniger Belastungserleben als Menschen mit Schizophrenie4. Ebenso werden Halluzinationen in geringerem Ausmaß von Menschen aus der Normalbevölkerung erlebt5. Sicherlich hat der eine oder andere schon einmal das Telefon klingeln gehört, als es gar nicht klingelte oder jemanden seinen Namen rufen hören, obwohl er gar nicht gerufen wurde. Die oben dargestellten Befunde untermauern das sogenannte Kontinuumsmodell, in dem davon ausgegangen wird, dass die Übergänge zwischen normalem und psychotischem Erleben fließend sind. Wenn nun das Denken und Empfinden von Menschen mit Schizophrenie nicht qualitativ anders ist als das von gesunden Menschen, sondern nur stark verändert, spricht dies dafür, dass die Einschätzungen und die Bewertungen der Patienten und Patientinnen entlang des Kontinuums auch wieder veränderbar sind. Das Kontinuumsmodell bildet die Basis für einige neuere Therapieansätze, insbesondere die für Verhaltenstherapie, aber auch für das metakognitive Training für Psychosen6. Im metakognitiven Training werden Denkverzerrungen und Denkfallen, die den Wahn begünstigen, den Patienten spielerisch vor Augen geführt und mit ihnen trainiert, alternative Erklärungen für ihr Erleben zu entwickeln. Ergänzt wird das Gruppentraining durch individualisierte Einzelsitzungen. Im Folgenden soll konkret auf die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) eingegangen werden. Doch wodurch konkret ist dieser Behandlungsansatz gekennzeichnet?

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Eine kurze Einleitung in die Kognitive Verhaltenstherapie bei Schizophrenie 

Die KVT bei Psychosen zeichnet sich aus durch ein „nicht-konfrontatives, unterstützendes Beziehungsangebot, „Normalisierung“ von Beschwerden, die Kontinuitätsannahme in Bezug auf die Symptomatik und die Orientierung an den Lebenszielen der Teilnehmer“. Empfohlen werden dort mindestens 16 Therapiestunden, bei komplexeren Therapiezielen mindestens 25 Sitzungen. Die KVT kann sowohl stationär als auch ambulant durchgeführt werden. Eine stationär begonnene Therapie sollte ambulant weitergeführt werden. Inzwischen gibt es verschiedene deutschsprachige Therapiemanuale und Bücher zur Verhaltenstherapie bei Schizophrenie8. Im Folgenden wird Bezug genommen auf den individuenzentrierten Therapieansatz nach Lincoln9. Zu Beginn der Behandlung stehen eine ausführliche Diagnostik und Zielklärung im Vordergrund. In der Anamnese werden, wenn vorhanden, frühere psychotische Episoden sowie die Entwicklung der aktuellen Episode eruiert. Die Behandlung besteht dann im Allgemeinen aus der Vermittlung eines individuellen Störungsmodells, der Symptombehandlung und der Rückfallprophylaxe. Auf diese Aspekte sowie auf die therapeutische Haltung wird im Folgenden genauer eingegangen.

Therapeutische Haltung und Beziehungsgestaltung 

Die therapeutische Beziehung spielt, wie selbstverständlich bei allen anderen Störungsbildern, auch bei Patienten mit Schizophrenie eine wesentliche Rolle, kann jedoch durch die Beschwerden der Patienten „herausgefordert“ werden. Ein sehr misstrauischer Patient wird vermutlich große Schwierigkeiten haben, eine vertrauensvolle Beziehung zu seinem Therapeuten aufzubauen. Bevor an Symptomen wie Wahn oder Halluzinationen gearbeitet werden kann, muss somit zunächst eine Basis geschaffen werden, auf der der Therapeut den Wahn eruieren kann. Lincoln9 schildert in ihrem Manual ausführlich, wie dies gelingen kann: So sollten wahnhafte Gedanken nicht zu früh in der Behandlung infrage gestellt werden, da dies die therapeutische Beziehung zu sehr belasten und dazu führen kann, dass sich der Patient nicht weiter öffnen möchte. Hilfreich ist es dagegen, Befürchtungen des Patienten sozusagen vorweg zu nehmen. Ein Patient, der bereits erste paranoide Ideen geschildert hat und sich während der Sitzung oftmals im Raum umschaut und hierdurch vom Gespräch abgelenkt ist, mag sich verstanden fühlen, wenn der Therapeut ihn auf dieses Verhalten anspricht: „Mir ist aufgefallen, dass Sie sich mehrmals im Raum umgeschaut haben, nicht wahr? Bei dem, was Sie mir bisher geschildert haben, könnte es sein, dass Sie vermuten, dass hier im Raum auch Mikrofone versteckt sein könnten?“ Hierdurch fühlt sich der Patient eher verstanden und kann sich besser öffnen. Wesentlich ist, dass der Therapeut die Probleme aus Sicht des Patienten versucht zu verstehen. Dies bedeutet nicht, dass der Therapeut den Patienten in seinem Erleben von z. B. Wahngedanken verstärkt (Negativbeispiel: „Ja, vermutlich schauen die Fahrgäste in der Bahn Sie so kritisch an, weil sie es auf Sie abgesehen haben“), sondern, dass er sich in die Gefühlslage des Patienten hineinversetzt („Ich kann mir vorstellen, dass es für Sie ganz schön unangenehm, vielleicht sogar beängstigend ist, wenn Sie das Gefühl haben, die anderen Fahrgäste schauen Sie so kritisch an“). Wenn sich der Patient nun vom Therapeuten verstanden und wertgeschätzt fühlt, besteht eine Basis, auf der der Wahn oder die Halluzinationen vorsichtig, aber kritisch vom Therapeuten hinterfragt werden können.

Das Bild zeigt die Silhouette einer Person, die im flachen Wasser rennt, der Himmel im Hintergrund ist rosa gefärbt.
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Erklärungsmodell: Wie entstehen paranoide Gedanken? 

Wie auch bei anderen psychischen Störungsbildern ist es von großer Bedeutung, dass der Patient während der Therapie ein Erklärungsmodell vermittelt bekommt, mithilfe dessen er sein Erleben und die Symptome einordnen und verstehen kann. In Abb. 1 ist ein Erklärungsmodell zur Entstehung paranoider Gedanken dargestellt, das gemeinsam mit dem Patienten erarbeitet werden kann. Dem Patienten kann dieses Modell als eine Möglichkeit dargestellt werden, wie sein Erleben und Befinden sich möglicherweise entwickelt haben könnten. Im Modell ist ersichtlich, dass frühere Ursachen (z.B. Veranlagung, aber auch frühere belastende Erfahrungen) die Beschwerden mitbedingen und zu ungünstigen Konzepten über sich selbst und andere (z.B. „niemand mag mich“, „andere meinen es schlecht mit mir/haben es auf mich abgesehen“) führen können. Zusätzlich können aktuelle Auslöser wie Stress oder berufliche Belastungen zu körperlicher Erschöpfung und negativen Emotionen wie Angst führen. Unter diesen Bedingungen besteht eine höhere Neigung, zweideutige Situationen zu erleben (z.B. Geräusche zu hören, kritische Blicke wahrzunehmen). Durch bestimmte kognitive Prozesse wird das Erleben verstärkt und mündet in Angst und Misstrauen. Zu diesen kognitiven Prozessen gehören der selektive Aufmerksamkeitsbias (es werden insbesondere die Informationen wahrgenommen, die meine Meinung bestätigen) und die Tendenz zu voreiligem Schlussfolgern (also die Tendenz, sich schneller eine Meinung zu bilden als andere es in derselben Situation täten). Aufrechterhalten wird die Symptomatik (wie auch bei Angststörungen) durch Rückzug, Vermeidung und Sicherheitsverhalten, da hierdurch korrigierende Erfahrungen, die die paranoiden Vermutungen widerlegen, ausbleiben. Zur besseren Verständlichkeit des Modells ist es hilfreich, die einzelnen Aspekte des Modells zu konkretisieren und gemeinsam mit dem Patienten schriftlich festzuhalten (z.B. Welche beruflichen Belastungen gab es genau? Wie lauten die negativen Gedanken über andere? Welche konkreten paranoiden Ängste sind vorrangig?). Aus dem Modell können anschließend die Behandlungsziele abgeleitet werden, wie ein verbesserter Umgang mit beruflichem Stress, Umstrukturierung dysfunktionaler Kognitionen, Abbau von Vermeidungsverhalten, aber auch und insbesondere die Korrektur der kognitiven Prozesse, die dem Wahn zugrunde liegen.

Die Abbildung zeigt ein Erklärungsmodell zur Entstehung paranoider Gedanken, das gemeinsam mit dem Patienten oder der Patientin erarbeitet werden kann. So kann er oder sie die eigenen Symptome besser verstehen lernen.
Abb.1

Umgang mit den Symptomen 

Beispielhaft soll hier ein Einblick in die Behandlung von wahnhaften Gedanken gegeben werden10. Eine Umstrukturierung wahnhafter Überzeugungen kann sehr herausfordernd und langwierig sein. Es fällt leichter, aktuelle Überzeugungen umzustrukturieren, da diese präsenter sind, als bereits zurückliegende, an die sich der Patient evtl. nicht mehr vollständig erinnern kann. Für den Therapeuten bedarf es viel Fingerspitzengefühl und Geduld, und eine tragfähige therapeutische Beziehung sollte inzwischen aufgebaut sein. Wichtig ist, dass der Patient sich ernst genommen fühlt. Vorbereitend für die Umstrukturierung ist es somit hilfreich, wenn der Therapeut dem Patienten verdeutlicht, dass er ihn für intelligent und reflektiert hält – und dies auch selbstverständlich so meint (z.B. „Was Sie mir bisher berichtet haben, spricht dafür, dass Sie ein intelligenter und rational denkender Mensch sind. Sie haben ja auch diverse Prüfungen bestanden und schon lange in Ihrem Beruf gearbeitet“). Im weiteren Verlauf klärt der Therapeut den Patienten darüber auf, dass Denkfehler im Alltag aller Menschen auftreten können, besonders wenn Situationen uneindeutig sind und man selbst gestresst ist (z.B. „Wenn ich unausgeschlafen auf der Arbeit bin und der Kollege mich weniger beachtet, kommt mir eher der Gedanke, dass er mich nicht mag, als wenn ich selbst entspannt und ausgeschlafen bin“). Hierdurch entpathologisiert der Therapeut die paranoiden Interpretationen und zeigt auf, dass der Patient nicht „verrückt“ ist, wenn er zu bestimmten Schlussfolgerungen kommt. Anschließend werden mit dem Patienten Anhaltspunkte für den Wahn eruiert, also Aspekte, an denen der Patient konkret festmacht, dass er z.B. verfolgt, vergiftet oder abgehört wird. Diese Argumente werden schriftlich festgehalten. Im Folgenden werden Mechanismen zur Einstellungsbildung wie der selektive Aufmerksamkeitsbias und das voreilige Schlussfolgern besprochen. Auch hier helfen Beispiele aus dem Alltag, die Beschwerden des Patienten zu entpathologisieren und ihm zu verdeutlichen, dass gedankliche Verzerrungen bei der Meinungsbildung aller Menschen vorkommen können. „Jemand, der beispielsweise immer dieselbe Marke eines Produktes kauft, wird diese weiter kaufen und weniger offen dafür sein, die Marke zu ändern, auch wenn etwas Schlechtes über die Marke bekannt wird. Jemand, der sehr von einer politischen Meinung überzeugt ist, wird seine Meinung vermutlich nicht ändern, auch wenn etwas gegen die Partei spricht.“ Dem Patienten wird anschließend die Erklärung angeboten, dass er möglicherweise in seiner stressigen, belastenden Situation ebenso bestimmten Tatsachen, die für seine paranoide Befürchtung sprachen, mehr Bedeutung zugesprochen hat als tatsächlich bestand, und sich seine Angstgedanken hierdurch nach und nach gefestigt haben.

Das Bild zeigt eine Person, die im flachen Wasser steht und dem Horizont entgegen blickt.
Mathias Reding / unsplash

Im nächsten Schritt wird besprochen, welche Konsequenzen es für den Patienten haben könnte, sich von seinen Wahngedanken zu lösen. Der Einsatz des sogenannten Vier-Felder-Schema aus Abb. 2 ist hilfreich, um zu erarbeiten, welche Konsequenzen sich für den Patienten ergeben, wenn er den Wahn fälschlicherweise beibehält bzw. fälschlicherweise aufgibt. Der Gedanke, unwissentlich verfolgt zu werden, kann bei dem Patienten z.B. einerseits große Unsicherheit hervorrufen. Andererseits kann diese Übung die Krankheitseinsicht fördern, wenn der Patient an den Punkt kommt, dass er möglicherweise eine Gefahr vermutet, wo gar keine ist. Bezüglich der tatsächlichen Umstrukturierung wahnhafter Gedanken geht es darum, mit dem Patienten alternative Erklärungen zu entwickeln für die von ihm wahrgenommenen Indizien, die den Wahn bislang untermauerten. Wenn ein sich verfolgt fühlender Patient beispielsweise glaubt, dass der Blick eines telefonierenden Passanten in der Stadt mit seiner Verfolgung zusammenhängt, bietet sich an, zu fragen, für wie wahrscheinlich der Patient dies hält (Skala von 1–100). Gemeinsam werden nun alternative Erklärungen dafür entwickelt, warum der Passant ihn angeschaut haben könnte. Möglicherweise hat der Passant die neue rote Jacke des Patienten interessant gefunden oder auch gar nicht ihn, sondern die Person hinter ihm angeschaut. Auch für die einzelnen alternativen Erklärungen soll der Patient die Wahrscheinlichkeit einschätzen. Durch das Einschätzen der Wahrscheinlichkeiten für die Alternativerklärungen verringert sich zumeist die Wahrscheinlichkeit für die wahnhafte Interpretation, was den Patienten durchaus entlasten kann („Die haben es doch nicht auf mich abgesehen, so kann ich entspannt durch die Stadt gehen, ohne Angst zu haben“). Wie schon dargestellt, ist das Arbeiten an den wahnhaften Überzeugungen oftmals ein längerer Prozess, eine vollständige Umstrukturierung ist nicht immer möglich. Jedoch gelingt es oftmals, die Stärke der wahnhaften Überzeugung zu reduzieren, was bereits schon zu Entlastung beim Patienten führen kann.

Abbildung 2 zeigt das Vier-Feld-Schema nach Lincoln, das beschreibt, welche Konsequenzen für die Patientin oder den Patienten entstehen, wenn sie oder er den Wahn fälschlicherweise beibehält bzw. fälschlicherweise aufgibt.
Abb.2

Rückfallprophylaxe: neuen Episoden vorbeugen 

Die Rückfallprophylaxe soll dem Patienten und seinen Angehörigen helfen, Signale und Symptome, die auf eine erneute Episode hindeuten, frühzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Die Reduktion von Stress und eine Erhöhung/Anpassung der begleitenden antipsychotischen Medikation sind von besonderer Bedeutung. Leider gelingt es nicht immer, durch eine gute Rückfallprophylaxe eine erneute Episode vorzubeugen. Jedoch registrieren die Betroffenen oftmals früher als bei der vorherigen Episode, dass eine neue Krankheitsphase beginnt und eine Intensivierung der Behandlung, oft im stationären Setting, unumgänglich ist. Dadurch, dass die Patienten sich frühzeitiger in Behandlung begeben, kann die Aufenthaltsdauer oft verkürzt werden. Die Rückfallprophylaxe soll individuell erfolgen und ist zumeist mit der Aufarbeitung der letzten Episode verbunden. Gemeinsam mit dem Therapeuten kann hierzu ein „Krisenplan“ erstellt werden11. Hierbei wird in die linke Spalte einer Tabelle folgendes eingetragen: sehr frühe Warnsignale, frühe Warnsignale, erste Symptome sowie ernste Symptome. In der rechten Spalte können dann jeweils konkrete in der Therapie gemeinsam erarbeitete Gegenmaßnahmen eingetragen werden („Was hätte mir damals in der letzten Episode geholfen? Wann hätte ich meinen Psychiater aufsuchen, wann mich in die Klinik begeben sollen?“). In diesem Therapieabschnitt können die Angehörigen einbezogen werden, indem sie schildern, welche Warnsignale und Symptome sie aus der Außenperspektive beim Patienten wahrgenommen haben. Außerdem können sie Informationen über die vereinbarten Maßnahmen der Rückfallprophylaxe erhalten, und es bietet sich an, den Krisenplan an einem Ort zu hinterlegen, von dem auch die Angehörigen wissen.

Forschungsstand 

Es gibt inzwischen eine Fülle von Studien zur Effektivität von Therapien bei Schizophrenie. Die Studienergebnisse können dahingehend zusammengefasst werden, dass davon auszugehen ist, dass KVT zur Reduktion der Gesamtsymptomatik und der Positivsymptomatik wirksam ist12. Darüber hinaus zeigt eine neuere Meta-Analyse13, dass auch die Negativsymptomatik durch sowohl KVT als auch durch Kognitive Remediation signifikant reduziert werden kann. Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass Patienten mit Schizophrenie, die eine antipsychotische Medikation ablehnen, von einer KVT profitieren: Nach der Behandlung hatten sie geringere Werte u.a. in der Gesamtsymptomatik und der Positivsymptomatik im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die nach einem üblichen Konzept behandelt wurde14. Die derzeitigen Ergebnisse ermutigen, Menschen mit Schizophrenie gezielt eine Psychotherapie anzubieten, sowohl stationär als auch ambulant.

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„Oftmals gelingt es, die Stärke der wahnhaften Überzeugung zu reduzieren, was bereits schon zu Entlastung beim Patienten führen kann.“

Zusammenfassung und Fazit 

Ist Verhaltenstherapie bei Patienten mit Schizophrenie nun eine Behandlung, die sich lohnt? Ja, denn die zuvor genannten Studienergebnisse zu den Therapieerfolgen untermauern dies. Doch auch Patienten und Patientinnen erleben die Behandlung als hilfreich und fühlen sich besser, insbesondere in Bezug auf ihr allgemeines Wohlbefinden, ihre Stimmung und ihre Lebenszufriedenheit15. Sie haben durch die Behandlung die Möglichkeit, über die tiefsitzenden Befürchtungen und Ängste, die mit ihrem Wahn und ihren Halluzinationen einhergehen, zu sprechen und alternative Sichtweisen zu entwickeln. Hierdurch lernen sie gleichzeitig wieder, anderen Menschen zu vertrauen. Die behandelnde Therapeutin bzw. der Therapeut benötigt neben fachlichen Kenntnissen viel Geduld, Fingerspitzengefühl, sowie echtes Interesse an den Patienten und ihrer Sichtweise. Sie dürfen sich als Wegbegleiter der Menschen sehen, die durch Mechanismen der Einstellungsbildung in Stresssituationen zu paranoiden Gedanken oder Halluzinationen neigen, und haben die Chance, ihnen zu vermitteln, dass sie trotz ihrer auf andere Menschen „verrückt“ wirkenden Überzeugungen keineswegs verrückt sind, sondern wertgeschätzt und wertvoll. Gemeinsam dürfen sich beide – Patient und Therapeut – auf den Weg begeben mit dem Ziel der Symptombesserung und Stabilität im Alltag der Patientin bzw. des Patienten.

Fußnoten und Literatur 

Fußnoten

1 S3-Leitlinie Schizophrenie, 2019. S. 49

2 z.B. Müller und Roder, 2017

3 z.B. Freeman, 2006

4 Lincoln, 2007

5 Johns und von Os, 2000

6 Moritz, 2017

7 S3-Leitlinie Schizophrenie, 2019. S. 131

8 z.B. Lincoln, 2006, Mehl und Lincoln, 2013, Klingberg, 2014

9 Lincoln, 2006

10 nach Lincoln, 2006

11 Lincoln, 2006

12 S3-Leitlinie Schizophrenie, 2019

13 Riehle et al., 2020

14 Morrison, 2014

15 Lincoln et al., 2012

Literatur

  • DGPPN e.V. (Hrsg.) (2019): S3-Leitlinie Schizophrenie, Langfassung. Version 1.0, zuletzt geändert am 15. März 2019, verfügbar unter: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/038-009.html
  • Freeman, D. (2006): Delusions in the nonclinical population, Current Psychiatry Reports 8. S. 191–204
  • Johns, L. C. & van Os, J. (2001): The continuity of psychotic experiences in the general population. Clinical Psychology Review 21 ( 8). S. 1125–1141
  • Klingberg, S., Hesse, K., Batra, A. & Hohagen, F. (2014): Stationäre evidenzbasierte Psychotherapie bei Psychosen: Kognitiv-verhaltenstherapeutisches Praxismanual. Kohlhammer.
  • Lincoln, T. M., Ziegler, M., Mehl, S., Kesting, M.-L., Lüllmann, E., Westermann, S. & Rief, W. (2012): Moving From Efficacy to Effectiveness in Cognitive Behavioral Therapy for Psychosis: A Randomized Clinical Practice Trial. Journal of Consulting and Clinical Psychology 80 (4). S. 674–686
  • Lincoln, T. M. (2007): Relevant dimensions of delusions: continuing the continuum versus category debate, Schizophrenia Research, 93. S. 211–220
  • Lincoln, T. M. & Rief, W. (2007): Kognitive Verhaltenstherapie von Wahn und Halluzinationen, Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 36 (3). S. 164–175
  • Lincoln, T. M. (2006): Kognitive Verhaltenstherapie der Schizophrenie. Hogrefe.
  • Mehl, S. & Lincoln, T.M. (2014): Therapietools Psychosen. Beltz.
  • Moritz, S., Krieger, E., Bohn, F. & Veckenstedt, R. (2017): MKT+: Individualisiertes Metakognitives Therapieprogramm für Menschen mit Psychose. Springer.
  • Morrison, A. P., Turkington, D., Pyle, M., Spencer, H., Brabban, A., Dunn, G., Christodoulides, T., Dudley, R., Chapman, N., Callcott, P., Grace, T., Lumley, V., Drage, L., Tully, S., Irving, K., Cummings, A., Byrne, R., Davies, L. M. & Hutton, P. (2014): Cognitive therapy for people with schizophrenia spectrum disorders not taking antipsychotic drugs: a single-blind randomised controlled trial. The Lancet 383. S.1395–1403
  • Müller, D. R. & Roder, V. (2017): Vom kognitiven Training zur Kognitiven Remediationstherapie: Nutzen und Kosten, Verhaltenstherapie, 27. S.170–179
  • Riehle, M., Böhl, M. C., Pillny, M. & Lincoln, T. M. (2020): Efficacy of Psychological Treatments for Patients With Schizophrenia and Relevant Negative Symptoms: A Meta-Analysis. Clinical Psychology in Europe, 2 (3) Article e2899. https://doi.org/10.32872/cpe.v2i3.2899

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